Sobolevräume und Distributionen

apl. Prof. Dr. Andreas M. Hinz

Universität München, Sommersemester 2003

In mathematischen Modellen von Naturvorgängen und technischen
Prozessen stellt sich die gesuchte Größe meist in Gestalt
einer stetigen Funktion dar, festgelegt als Lösung einer
Differentialgleichung. Aber nicht jede stetige Funktion ist differenzierbar;
Beispiel: die Betragsfunktion. Seit den 30er Jahren wurden daher
verallgemeinerte Ableitungsbegriffe eingeführt, die sich im Rahmen
der Lebesgueschen Integrationstheorie und mit Hilfe der sich gleichzeitig
entwickelnden Funktionalanalysis in speziellen Funktionenräumen,
den Sobolevräumen verwirklichen ließen. Diese spielen heute
in der Theorie partieller Differentialgleichungen, in der Variationsrechnung
und in der numerischen Mathematik (Finite-Elemente-Methode) eine wichtige
Rolle.

Nicht jede solche Ableitung ist stetig (Beispiel: die Vorzeichenfunktion),
ja nicht einmal notwendigerweise eine Funktion (Beispiel: Diracs
Deltafunktion). Die Betrachtung solcher verallgemeinerten Funktionen,
mit zahlreichen Anwendungen in der mathematischen Physik,
mündete in den 50er Jahren in die Theorie der Distributionen.
Dort fand auch das wichtige Hilfsmittel der Fouriertransformation seine
natürliche Heimat.

Das Ziel der Vorlesung war eine mathematisch fundierte Einführung
in diese Begriffswelt, die weder dem abstrakten Weg über die
Dualität folgt, noch der oberflächlichen Darstellung in Texten
der mathematischen Physik oder des wissenschaftlichen Rechnens. Sie
wandte sich daher an alle, die Sobolevräume und Distributionen
benutzen u n d verstehen wollen.

Vorausgesetzt wurden Grundkenntnisse in der Lebesgueschen Integrationstheorie,
etwa im Umfang meiner Vorlesung im Sommersemester 1999 (Skriptum ist
vorhanden). Erfahrungen mit der Funktionalanalysis und partiellen
Differentialgleichungen waren nützlich, aber weder notwendig noch
hinreichend.

Eine ausführliche Literaturliste wurde im Laufe der Veranstaltung
zusammengestellt. Für einen ersten Einblick empfehle ich:
J. Lützen, The Prehistory of the Theory of Distributions, Springer,
New York, 1982.

Im einzelnen wurden behandelt:

Kapitel 0. Ursprünge der Theorie
1. Der Funktionsbegriff
2. Historische Entwicklung
Kapitel 1. Sobolevräume
3. Testfunktionen
4. Regularisierung
5. Definition und Eigenschaften der Sobolevräume
Kapitel 2. Distributionen
6. Kalkül der verallgemeinerten Funktionen
7. Faltung
8. Fouriertransformation
Kapitel 3. Funktionalanalytische Distributionstheorie
9. Dualität
10. Der Satz von Malgrange und Ehrenpreis


A. M. Hinz, andreas.hinz@mathematik.uni-muenchen.de, 2003-07-25